M…: eine Kritik von Christopher Wübbeling

Inhaltsangabe:
Ein unbekannter Schrecken versetzt nahezu das komplette Berlin zu Zeiten der Weimarer Republik in einen kollektiven Angstzustand. Ein Kindermörder geht um und niemand vermag es ihn zu ergreifen. Selbst die Polizei ist trotz einem großem Aufgebotes, Spürhunden und der allerneuesten Spurensicherungstechnik scheinbar machtlos den Mörder aufzuspüren.
Unterdessen versinkt die Bevölkerung in Paranoia, wahllos beschuldigen sie sich gegenseitig der Mörder zu sein, mit jedem gefundenen toten Kind nimmt die Unruhe und der Missmut gegenüber der offensichtlich versagenden Polizei zu.
Doch dies ist nicht das einzige Problem von Kommissar Lohrmann, durch die steigende Anzahl an Razzien und der Ausweitung des Suchgebietes auf Spielunken und ähnliche Etablissements ziehen sie die Aufmerksamkeit der kriminellen Ringorganisationen auf sich, die führenden Gruppen der Berliner Unterwelt. Auch werden sie mit dem Mörder verbunden, was sie zutiefst ärgert. Unter
ihrem Anführer, dem sogenannten „Schränker“ entschließen sie sich selbst die Suche nach dem Mörder aufzunehmen.
So beginnt eine gnadenlose Hetzjagd auf den Mörder, in welcher selbst die Grenzen zwischen Gerechtigkeit und Wahnsinn zu verschwimmen scheinen…

Kritik:
Der Film „M“ nimmt einen besonderen Platz in der deutschen Filmgeschichte ein, da er selbst einer der ersten Tonfilme in Deutschland war und somit einen der Vorreiter in diesem weiterentwickeltem Medium darstellt. Doch trotz dieser damals gar revolutionären neuen Technik wird man Musik in diesem Film kaum finden, da sie bis auf eine gepfiffene Version von Edvard Griegs „In der Halle des Bergkönigs“, welches als Identifikationsmerkmal des Mörders benutzt wird, komplett
weggelassen wurde und ganze Szenen teilweise regelrecht stumm sind. Dies verleiht dem Pfeifen eine noch größere Bedeutung, da sie somit eine einzigartige Stellung im Film einnimmt.

Auch die bildliche Sprache ist durchaus beeindruckend, so benutzt Lang unmittelbar am Anfang des Filmes eine andeutungslastige Bildsprache, die auf klare Szenen verzichtet und stattdessen mit dem Publikum spielt. So wird der erste Mord nicht explizit gezeigt sondern nur durch kurze Szenen angedeutet, das Publikum muss sie zusammensetzen. Am Anfang spielt ein Mädchen mit einem Ball in der Nähe einer Litfaßsäule an der ein Fahndungsplakat hängt, anschließend hört man das Lied des Mörders pfeifen und ein Mann kauft dem Kind ein Luftballon nur um danach zu zeigen wie der Ball in ein Gebüsch rollt und der Ballon davonfliegt. Simpel und doch gleichzeitig extrem wirkungsvoll.
Aber die wohl prägnantesten Szenen in denen man Langs Technik sehen kann, sind die in welchen sich die hohen Polizeimitglieder zur Beratung versammeln, die Oberhäupter der Ringorganisationen treffen sich jedoch auch gleichzeitig, so wird das Bild immer wieder zwischen den verschiedenen Räumen geschnitten, das die Sprecher beider Parteien ihre Sätze gegenseitig beenden, sodass der Eindruck entsteht, das beide Seiten dem gleichen Ziel entgegenfiebern obwohl der Antrieb ein anderer ist.

Doch trotz all dieser filmischen Spielereien steckt in diesem Film mehr Realismus als es auf den ersten Blick erkennen lässt. So basiert ein Großteil des Films auf der Geschichte des Peter Kürten, dem so genannten „Vampirs von Düsseldorf“, ein Serienmörder der erst nach 15 Monaten Jagd und 3 Wochen vor der Premiere des Films von der Polizei gestellt werden konnte.
Aus diesem Grund ist der Film in anderen Ländern wie in beispielsweise Spanien und Brasilien unter dem Titel: „M – Der Vampir aus Düsseldorf“ bekannt geworden, obwohl in diesem eindeutig klar wird das der Handlungsort Berlin ist. Aber auch die im Film benannten Spurensicherungstechniken waren zur damaligen Zeit sehr neu und Kürtens Fall war der erste in welchem diese Techniken zum Einsatz kamen. Lang erfuhr nur aufgrund seines engen Kontaktes zur Berliner Polizei davon, sodass er sie in seinem Film verwenden konnte.
Auch kommt beim Ansehen des Filmes das Gefühl auf, das manche der im Film aufkommenden Fragen auch heutzutage noch sehr aktuell sind, wie zum Beispiel die unterschiedlichen Ansichten von Polizei und der Organisation in der Frage wie mit dem Mörder verfahren werden sollte und die dahinterstehende moralische Frage, ob es gerecht ist einen Menschen zu töten, um andere zu schützen oder zu retten.

Die Stimmung des Films ist durchweg düster und aufgeladen gehalten, in Szenen der Ringorganisationen sogar sichtbar aggressiv und geprägt von Hass wie vor allem am Ende klar wird. Dies soll eine Spiegelung der damaligen Verhältnisse in Deutschland darstellen, da Lang es für sehr wichtig erachtete eine möglichst genaue Zeichnung der damaligen Gesellschaft zu zeigen, die sich durch die Krise der Weimarer Republik immer weiter spaltete und schließlich mit dem Sieg der Nationalsozialisten endete. Die im Film gezeigte paranoide Form von gegenseitiger Bespitzelung, beziehungsweise die Schuldzuweisungen und die wachsende Macht der Unterwelt im Vergleich zur stagnierenden Polizei sind Indizien für den nahenden Kollaps der Gesellschaft.

Zusammenfassend lässt sich sagen, das Fritz Langs „M“ zu guter Recht als ein wegweisendes und gar revolutionäres Meisterwerk zu verstehen ist, in dem sich nicht nur die damalige Zeit unter den Vorzeichen des nahenden Aufstieg des Nationalsozialismus darstellt, sondern auch noch heutige moralischen Fragen aufwirft und versucht diese von allen Seiten zu beleuchten.

 

verfasst im Wintersemester 2017/2018

Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/M_(1931)
https://www.kino.de/film/m-eine-stadt-sucht-einen-moerder-1931/
https://www.filmtipps.at/kritiken/M_Eine_Stadt_sucht_einen_Moerder/
http://cinema.arte.tv/de/artikel/m-eine-stadt-sucht-einen-moerder-von-fritz-lang-0