Mississippi…: eine Kritik von Eda Engin

Woher kommt er bloß? All dieser Hass?

Eine Frage, die sich der FBI Agent Alan Ward (Willem Dafoe) stellt, kurz nachdem er gemeinsam mit seinem Partner Agent Rupert Anderson (Gene Hackman) in Jessup County, Mississippi ankommt. Das Jahr ist 1964. Drei Bürgerrechtler, die sich für das Wahlrecht der Afroamerikaner eingesetzt haben, sind in dieser Kleinstadt spurlos verschwunden. Recht schnell verdichtet sich die Annahme, dass der Ku-Klux-Klan hinter dem Verschwinden der Aktivisten steckt. Doch der offen zur Schau gestellte Rassismus der Stadt, die Feindseligkeit gegenüber dem FBI und die Einschüchterung möglicher Informanten erschwert den Ermittlern ihre Arbeit.

Dieser ansprechend inszenierte Kriminalfilm des Regisseurs Alan Parker aus dem Jahre 1988 basiert auf realen Begebenheiten. Im Jahr 1964 wurden die Bürgerrechtler James Chaney, Andrew Goodman und Michael Schwerner in Neshoba County entführt und ermordet. Dies geschah, als die amerikanische Bürgerrechtsbewegung ihren Höhepunkt erreicht hatte und kurz nach der Beschließung des Civil Rights Acts von 1964, welches die Rassentrennung und die Ausschließung von Afroamerikanern bei Wahlen verhindern sollte. Dieser Film muss also nicht nur die Ansprüche der Filmkritiker erfüllen, sondern auch die der afroamerikanischen Gesellschaft und der Familien der Opfer. Doch ob er das tatsächlich schafft, ist fragwürdig.

Wie bereits erwähnt, handelt es sich hierbei um einen Kriminalfilm und keine Dokumentation, weswegen die beiden Ermittler Ward und Anderson im Vordergrund stehen und nicht die ermordeten Aktivisten. Willem Dafoe spielt die Rolle des jungen, regeltreuen Ermittlers Alan Ward souverän und auch Gene Hackman verkörpert den humorvollen älteren Ermittler aus den Südstaaten, Rupert Anderson, sehr gut. Das wird nicht zuletzt an den vielen Szenen deutlich, in denen die beiden Ermittler wegen ihren unterschiedlichen Arbeitsstilen und Meinungen aneinandergeraten. Zum Beispiel äußert Agent Ward in einer Szene im Motel, in dem er die Bürgerrechtler verteidigt: „Für einige Dinge lohnt es sich zu sterben“, wozu Anderson bloß entgegnet: „Tja, hier im Süden betrachtet man die Dinge etwas anders. Hier glauben die Leute, für einige Dinge lohnt es sich zu töten.

So gut die beiden Hauptdarsteller ihre Rollen auch verkörpern, bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Neben der Fiktionalisierung der wahren Ereignisse, ist die Tatsache, dass man diesen Film aus der Sicht von zwei weißen Beamten sieht, einer der Probleme des Films. Es ist moralisch verwerflich in einem Film, der einen Teil der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung behandelt, alle afroamerikanischen Charaktere mit dem Hintergrund verschmelzen zu lassen, während zwei weiße Amerikaner die Ritter in glänzender Rüstung spielen. Mit diesem Vorgehen stellt Mississippi Burning jedoch keine Ausnahme in Hollywood dar. Häufig werden wichtige historische Ereignisse zu Unterhaltungszwecken zu Filmen verarbeitet, die die wahren Ereignisse nicht mehr richtig wiedergeben. Das ist nicht unproblematisch, wenn man bedenkt, dass viele Menschen eher dazu neigen einen Film über ein spezielles Ereignis zu schauen, als dieses in einem Geschichtsbuch nachzulesen.

Wenn man über diese Probleme hinwegschauen kann, reißt Mississippi Burning den Zuschauer mit in seine bedrückende Atmosphäre. Selbst der heutige Zuschauer wird erschreckend feststellen, dass viele der beschriebenen rassistischen Taten des Ku-Klux-Klans aktuell wieder in den Medien zu finden sind. Im Film hält der Großmeister des Ku-Klux-Klans, Clayton Townley (Stephen Tobolowsky), eine Ansprache vor der Presse und wird von Reportern gefragt, ob er der Sprecher des Ku-Klux-Klans sei, worauf dieser entgegnet: „Ich hab‘s doch gesagt. Ich bin Geschäftsmann. Außerdem bin ich Bürger von Mississippi. Und Amerikaner. Und mir hängt es langsam zum Hals raus mitansehen zu müssen, wie viele von uns aus Mississippi ihre Ansichten verdreht bekommen durch Ihre Zeitungsleute und durchs Fernsehen.“ Wenn man diese Aussage zum ersten Mal hört, könnte man mit Recht unsicher sein, ob sie vom Großmeister des Ku-Klux-Klans kommt oder doch vom derzeitigen Präsident der Vereinigten Staaten, der mal wieder „Fake News“ verkündet.

Der im Film beschriebene verblendete Rassismus wird heutzutage nicht mehr von Menschen mit weißen Kapuzen verbreitet, sondern vom amerikanischen Präsidenten Donald Trump und vielen rechtsextremen Gruppierungen. Erst vor wenigen Wochen sind Mitglieder der sogenannte Alt-Right-Bewegung und des Ku-Klux-Klans mit Fackeln in den Händen durch die Straßen von Charlottesville, Virginia marschiert. Keiner von ihnen hat aus Angst vor Konsequenzen sein Gesicht verschleiert, stattdessen haben alle stolz in die Kamera geblickt, während sie rechtsextreme Parolen riefen. Wieso auch, wenn nicht mal der Präsident diese Taten öffentlich verurteilt?

Betrachtet man Mississippi Burning losgelöst von seinem historischen Kontext, stellt er einen guten Kriminalfilm dar, der mit einem spannenden Plot und interessanten Dialogen überzeugen kann. Wem jedoch die historische Genauigkeit und korrekte Darstellung ethnischer Minderheiten am Herzen liegt, dem wäre mit einer Dokumentation oder einem Buch zum Thema besser geholfen.

Agent Wards anfängliche Frage wird im Film selbst in einer späteren Szene von Mary Pell (Frances McDormand), der Frau des Hilfssheriffs, beantwortet: „Hass ist nicht etwas, womit man geboren wird. Er wird anerzogen.“

 

rezensiert im Wintersemester 2017/2018