Network…: eine Rezension von Kerstin Nagl

Die USA sind Mitte der 1970er Jahre durch die erste Ölpreiskrise wirtschaftlich angeschlagen und politisch erschüttert durch die Watergate-Affäre sowie weltweite Terror-Aktionen. In den Nachrichten wird wenig Positives berichtet und viele Amerikaner ziehen sich deshalb in ihr Privatleben zurück. Vor diesem Hintergrund sinken die Einschaltquoten der Nachrichtensendungen des (fiktiven) Fernsehsenders UBS und das bekommt auch der altgediente Moderator Howard Beale zu spüren – ihm wird gekündigt.

So beginnt „Network“, ein Film des Regisseurs Sidney Lumet aus dem Jahr 1976. Was zu Beginn nach einer Bestandsaufnahme aussieht, entwickelt sich zu einer immer absurder werdenden Satire der medialen und gesellschaftlichen Situation. Beale, der seinen Selbstmord in einer seiner letzten Live-Sendungen ankündigt und von einer übersinnlichen Stimme berichtet, die ihm “die Wahrheit“ berichtet, wird von seinen Kollegen für verrückt erklärt. Die Zuschauer allerdings quotieren seine Auftritte mit einer gesteigerten Sehbeteiligung. Auch eine junge Redakteurin ist begeistert. Diana Christensen, Leiterin des Unterhaltungsressorts, möchte die Nachrichtensendung übernehmen, um sie in eine Nachrichtenshow zu verwandeln. Zwischen ihr und dem langjährigen Nachrichten-Chefredakteur Max Shoemaker entwickelt sich ein Konflikt, der letztendlich in einer Affäre mündet. Im weiteren Verlauf dreht sich die Spirale der absurden Entwicklungen, angetrieben durch die Fixierung auf Einschaltquoten und Profitsteigerung, immer weiter und die Situation gerät zunehmend außer Kontrolle.

Die Kritik an der Gesellschaft und der Medienwelt in „Network“ ist vielschichtig. Die Fixierung auf den Profit und die Hinwendung zu seichter und sensationsreicher Berichterstattung wird der jungen Generation an Medienschaffenden zugeschrieben, während die ältere Generation in der guten alten Zeit verharrt, also de facto ebenfalls nicht zu einer Lösung der Situation beiträgt. Auch auf der zwischenmenschlichen Ebene wird ein Generationenkonflikt ausgetragen. Die Affäre der jungen Christensen und des alten Shoemaker ist, durch Christensens Verhalten, gezeichnet von mangelnder Empathie und der rastlosen Jagd nach der besten Version des eigenen Lebens. Eine Kritik am individuellen und kontinuierlichen Selbstoptimierungsgedanken jener Zeit. Ebenfalls thematisiert werden Verschwörungstheorien, die aufgrund der Ölpreiskrise gegenüber arabischen Investoren in den USA kursierten.

Schade, dass diese vielschichtige Kritik nur oberflächlich umgesetzt wird. So erscheinen beispielsweise die Charaktere lediglich als Stereotypen ihrer Zeit. Max Shoemaker als erfahrener Redakteur wird als verführtes Opfer der jungen Generation gezeigt. Am Ende tritt er jedoch als starker Mann auf, der anscheinend aus eigener Kraft den richtigen Weg wiedergefunden hat. Seine Antagonistin und spätere Geliebte Diana Christensen erscheint zunächst als selbstständige Frau der neuen weiblichen Generation, die selbstbewusst ihren Weg geht. Allerdings erreicht sie ihre Ziele in der männerdominierten Medienwelt nicht durch Intelligenz, wie man erwarten könnte, sondern durch ihren Charme. Auch sie bricht also nicht aus den stereotypen Erwartungen jener Zeit aus. Zudem erfährt der Zuschauer über das Innenleben der Charaktere wenig. Besonders bei Beale, der als Protagonist zunehmend im Hintergrund verschwindet, fällt dies auf. Es mag sein, dass diese eindimensionale und oberflächliche Charakterzeichnung als Stilmittel der Gesellschaftskritik konzipiert ist – auf den Zuschauer wirkt sie auf Dauer ermüdend und steht einem kritischen Zugang zum Inhalt eher hinderlich entgegen.

Aus dem Blickwinkel junger Kinozuschauer der heutigen Zeit wirkt die visuelle Erzählweise eher ruhig. Die Kamera nimmt eine beobachtende Position ein und zeigt die Situationen als Ganzes. Auch schnelle oder auffällige Schnitte und Kamerabewegungen sind in den Sequenzen nicht zu finden. Dadurch wirkt die Darstellung realitätsnah, aber auch etwas distanziert. Die Zusammenfassung von Ereignissen durch eine Off-Stimme verstärkt diesen Effekt. Damit steht die visuelle Gestaltung im Gegensatz zu den überspitzten und teilweise überdrehten Entwicklungen auf der inhaltlichen Ebene. Der Zuschauer nimmt die zunehmende Absurdität dadurch etwas verzögert war und die Wirkung des Films entfaltet sich erst im Nachgang durch die Reflektion des Inhalts.

Sidney Lumet fängt mit „Network“ die Stimmung zwischen Krise und gesellschaftlichem Wandel in den USA der 1970er Jahre nachvollziehbar ein. Er wirft zudem Fragen auf, die auch heute noch gestellt werden: Die Dominanz der Einschaltquote bei Entscheidungen zur Programmgestaltung, die Macht von Geldgebern auf Programminhalte, die Hinwendung zu Soft-News in Zeiten der Krise und der Umgang zwischen Männern und Frauen in der Medienwelt – Diskussionsstoff, der auch nach gut 40 Jahren noch aktuell erscheint. Allerdings bietet dieser Film, auch wenn er eine Satire ist, keinen durchweg unterhaltenden Zugang zu den Themen. Das zuweilen langsame Tempo, die Distanz zu den Charakteren und die seichte Umsetzung der Kritik erfordern einen an der Sache interessierten Zuschauer.

verfasst im Sommersemester 2018

Hinweis zu verwendeter Literatur zum zeitgeschichtlichen Kontext des Films:

Borstelmann, Thomas: The 1970s. A new global history from Civil Rights to Economic Inequality. Princeton, 2012.

Jarausch, Konrad H.: Krise oder Aufbruch? Historische Annäherungen an die 1970er-Jahre. In: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, 3 (2006). Abrufbar unter: http://www.zeithistorische-forschungen.de/3-2006/id=4539 (Druckausgabe: S. 334-341).