Matrix…: eine Kritik von Friederike Bücker

Im Jahr 1999 landeten Lana und Lilly Wachowski – damals als „The Wachowski Brothers“ – mit dem Science-Fiction-Thriller Matrix („The Matrix“) einen Kinohit, der längst zum vielzitierten Kultfilm geworden ist.

Protagonist des Films ist der Hacker Neo, gespielt von Keanu Reeves, der tagsüber unter dem Namen Thomas Anderson als Angestellter bei einer IT-Firma arbeitet. Als Trinity (Carrie-Anne Moss) Neos Computer hackt und Kontakt mit ihm aufnimmt, gerät er scheinbar zwischen die Fronten und wird von Agenten der Regierung befragt, denn Trinity vertritt eine mysteriöse Gruppierung, bei der es sich den Agenten zufolge um ein terroristisches Hacker-Kollektiv handelt. Angeführt wird diese Gruppe von einem geheimdienstlich gesuchten Mann namens Morpheus (Laurence Fishburne). Als aufgeklärter Bürger bleibt Neo zunächst gelassen, doch die Befragung wandelt sich schnell ins Surreale und bald stellt sich die Frage, was ein Traum ist und was die Wirklichkeit. Trotz der Bedrohung durch die Agenten und der Tatsache, dass Neo Trinity nicht kennt und sie ihn offensichtlich seit einer Weile gestalkt hat, folgt er ihren Kontaktaufnahmen, um Morpheus zu treffen, von dem er sich Antworten erhofft. Denn auch wenn Neo augenscheinlich ein gut eingegliederter Bestandteil der Gesellschaft ist, kann er dem Gefühl nicht entkommen, dass irgendetwas nicht stimmt. Und vor allem ist es die eine Frage, die ihn (und die Zuschauer*innen) quält: Was ist die Matrix?

Dieser Film voller Alice-im-Wunderland-Anspielungen zeigt uns die pittoreske Landschaft der Postmoderne zwischen Großraumbüros und 90er-Jahre-Diskos. Diese Umgebung wird dann jedoch aufgebrochen und wir werden, zusammen mit Neo, in eine dystopische, von Gewitterwolken und Unterwassermonstern geprägte Welt entführt. Dabei wechselt der Film zwischen der düsteren „Wirklichkeit“, verschiedenen Computer-Simulationen und dem Leben in der Matrix und kombiniert so auf wohl einzigartige Art und Weise ein apokalyptisches Survival-Setting mit Sonnenbrillen und schwarzem Latex, Kung Fu und einer herzlichen älteren Dame, die in einer gemütlichen Küche Kekse backt.

Die Geschichte wird dabei immer wieder durch Humor aufgelockert, wenn beispielsweise Neo oder Trinity auf Situationen überraschend unverstellt menschlich reagieren. Auch die meisterhaften Kampfszenen werden zum Teil leicht ins alberne gezogen, indem die traditionell- asiatisch anmutende Musik in einer Kung-Fu-Szene von einer schnellen 90er-Jahre-Nummer abgelöst wird. An manchen Stellen nimmt sich der Film dagegen leider etwas zu ernst, wenn zum

Beispiel gefährliche Situationen dem Actionfilm-Klischee folgend bis zur allerletzten Sekunde ausgereizt werden oder emotionale Gespräche in Szenen gequetscht werden, in denen es unpassender kaum sein könnte, um die Liebesgeschichte zwischen Neo und Trinity voranzutreiben. Auch abgesehen vom Timing hat diese Liebesgeschichte so ihre Probleme, da sie Trinitys Rolle im Film stark an seine knüpft auf eine Weise, die sie fast zum bloßen Love-Interest degradiert. Dieser Eindruck verfliegt zum Glück in jeder der vielen Szenen, in der man sie in Aktion sieht, recht schnell wieder. Denn Trinity ist schlagfertig, stark und super-cool, selbst am Standard ihrer ebenso sonnenbebrillten Mitstreiter*innen gemessen. Es werden im Film an ein paar Stellen sexistische Sätze gesagt, die von den anderen Figuren in der Regel mehr oder weniger gebilligt werden, aber zumindest fallen diese Sprüche eher auf die männlichen Figuren, die sie äußern, zurück, als auf die Frauen des Films.

Matrix überzeugt nicht nur inhaltlich, sondern ist vor allem auch für seine Actionszenen berühmt. Während ein paar der visuellen Effekte aus heutiger Sicht eher albern wirken, können die Kamerafahrten und Slow Motions mit aktuellen Filmen mehr als mithalten. Besonders bekannt sind dabei die berüchtigten „Bullet time“-Effekte, bei denen sich die Kamera schnell durch die Szene bewegt, während in Zeitlupe die Kugeln fliegen.

Die Musik sorgt nicht nur gelegentlich für komödiantische Momente, sondern untermalt auch die Stimmungen und die Spannung des Films sehr gut. Oft werden außerdem organisch klingende mit maschinellen Tönen kombiniert, wodurch der Konflikt zwischen Mensch und Maschine und die Frage nach der Grenze zwischen beiden hervorgehoben wird. Dies wird auch durch der Gestaltung der Technologie in Matrix dargestellt.

Der Film macht einen seltsamen Spagat zwischen der Angst vor der Technologisierung und der Zelebrierung des Cyberpunks. Einerseits wird die zweifelhafte These, dass die Erforschung von „künstlicher Intelligenz“ zu einer Machtübernahme der Maschinen und der Versklavung der Menschheit führen könne, thematisiert. Diese Unfreiheit zeigt sich nicht nur im Konzept der „Matrix“, sondern auch in Neos altem Leben, wo das Großraumbüro die Entfremdung des Individuums in der Postmoderne verkörpert. Andererseits trägt der Film paradoxerweise zum Hype um technologische Errungenschaften und Möglichkeiten wie Virtuelle Umgebungen und Videospiele bei und war sicherlich Inspiration für so manch einen Nickname in Chatrooms.

Lohnt es sich also alles in allem, Neo in den Kaninchenbau zu folgen? Matrix ist nicht nur wichtiger Bestandteil der Popkultur geworden, sondern wird auch nicht zu Unrecht gerne in philosophischen Kontexten diskutiert, wirft er doch Fragen auf wie: Was ist die Wirklichkeit? Was kann ich wissen? Was ist der Mensch? Aber auch schon allein für die Actionszenen und Effekte lohnt es sich, den Film anzusehen und wer über Jesus-Anspielungen und die Logiklücken in der Prämisse des Films hinwegsehen kann, hat mit Matrix wahrscheinlich eine Menge Spaß.

verfasst im Sommersemester 2018