Der Gott des Gemetzels…: eine Rezension von Eric Scheller

Filme mit begrenztet Schauplätzen, oder nur einem Schauplatz sind, wenn auch nicht allzu häufig, ein Konzept an dem sich schon mehrere Regisseure versuchten. Sei es James Wans SAW von 2004, Rodrigo Cortés‘ Buried von 2010, oder Klassiker wie Alfed Hitchcocks Werk Das Fenster zum Hof (1954), das Konzept nur einen Schauplatz in einem Film zu haben kann, wenn richtig umgesetzt, zu sehr interessanten Werken führen.

Auch der Regisseur Roman Polanski, bekannt für u.a. Chinatown (1974) und Der Pianist (2002), versuchte sich 2011 an diesem Konzept (später in 2013 dann mit Venus im Pelz erneut) mit der Adaption des Theaterstückes Der Gott des Gemetzels (Originaltitel Le Dieu du Carnage).

In der Schwarzen Komödie Der Gott des Gemetzels ist dieser eine Raum das Wohnzimmer der Familie Longstreet, in welchem sich das Ehepaar Michael (John C. Reilly) und Penelope Longstreet (Jodie Foster) mit dem Ehepaar Nancy (Kate Winslet) und Alan Cowan (Christoph Waltz) unterhält. Kleine Ausnahmen sind kurze Ausflügen ins Bad und in den Flur. Grund für das Gespräch der, zuvor einander unbekannten, Paare ist das Verhalten ihrer Kinder: Der Sohn der Cowans, Zachary, hat Ethan Longstreet mit einem Stock attackiert und ihm dabei zwei Zähne herausgeschlagen. Die Longstreets geben sich friedlich und die Cowans schuldbewusst, gemeinsam wollen die Elternpaare den Konflikt lösen und die Wogen zwischen den Familien glätten. Im Verlaufe des Gespräches spitzt sich die Lage jedoch immer weiter zu, beide Seiten lassen ihre aufgesetzte Freundlichkeit fallen und die Atmosphäre wird immer chaotischer und aggressiver.

Abgesehen von ein paar Kindern die in einer Anfangs- und einer Endszene im Hintergrund zu sehen sind, sind Waltz, Foster, Winslet und Reilly die einzigen Schauspieler in diesem Film und befinden sich fast den ganzen Film über in einem vier-Personen-Gespräch. Mit einem so minimalistischen Aufbau ist es an Regisseur und auch Schauspielern das, den ganzen Film über gleichbleibende, Szenario so zu gestalten, dass der Zuschauer nicht das Interesse an verliert. Gott des Gemetzels überzeugt dabei vor allem dank seiner Dialoge und Charaktere, die alle einen hervorragenden Job machen, zur Komik und Atmosphäre des Films beizutragen. Dabei tragen der zunächst freundlich wirkende, doch Hamster tötende, Nihilist Michael, die strikte Weltverbesserin Penelope, die von ihrem Mann genervte Nancy und der zynische und provokante Anwalt Alan alle ihren Teil zu einer Reihe von äußerst skurrilen Dialogen und Situationen bei. Komischer wird die Situation in dem sich die Charaktere immer wieder untereinander zusammenschließen nur um dann kurz darauf wieder aneinander zu raten.

Dabei sticht vor allem Christoph Waltz‘ Verkörperung des Alan Cowan heraus, welcher mit seiner meist ruhigen doch provokanten Art und einem Grinsen im Gesicht große Freude daran zu haben scheint die chaotische Situation noch weiter zu eskalieren. Auch den geschäftigen Anwalt der das Gespräch immer wieder mit Telefonaten unterbrechen muss, da ihm der Beruf doch etwas wichtiger als das eigene Kind zu sein scheint, kauft man ihm gerne ab.

Während man sich doch schnell teilweise mit Alan sympathisierend sieht und die ganze Situation schmunzelnd betrachtet, tritt eher das Gegenteil mit Jodie Fosters Penelope Longstreet ein:

Ihre Vorstellungen von Moral und Recht in der Welt lebt sie nicht nur selber strikt aus, sondern möchte diese auch allen anderen aufzwingen. Mit der chaotischen Situation und der Einstellung von vor allem ihrem Mann und Alan kommt sie gar nicht zurecht und wird das eine oder andere Mal hysterisch. Foster schafft es dabei den Charakter der Penelope möglichst unsympathisch und nervenaufreibend rüber zu bringen.

Der Film geht generell gerne das Risiko ein unerträglich zu werden: Zu Beginn ist es die fühlbar falsche Freundlichkeit und die unangenehmen Spannungen zwischen den Charakteren, die deutlich sichtbar sind. Später sind es die recht kindlichen und auch belanglos wirkenden Streitereien, die dafür sorgen, dass die unangenehmen Atmosphären an verschiedenen Stellen des Filmes, wenn auch gewollt und stark inszeniert, sich doch etwas in die Länge ziehen. Man wünscht sich zwischendurch immer wieder die Cowans, welche bereits zwei Mal versucht haben die Wohnung zu verlassen, würden nicht wieder in das Wohnzimmer zurückkehren.

Der Zuschauer sieht die ganze Situation immer mehr wie Alan oder später auch Michael; das ganze Gespräch führt doch zu nichts.

Während ein Zuschauer im Theater die ganze Zeit die gesamte Bühne sieht und somit auch alle Charaktere zur gleichen Zeit beobachten kann, werden im Film immer wieder durch gezielte Nahaufnahmen und Kamerawinkel Charaktere und auch Zusammenschlüsse unter den Charakteren in den Fokus gerückt. Zusammen mit den gelegentlichen Ausflügen ins Badezimmer, den Flur oder die Küche der Longstreets sind zwar die Wurzeln als Theaterstück klar erkennbar, jedoch fühlt sich das ganze so als richtiger Film an, trotz des ungewöhnlichen Settings.

Roman Polanski schafft ein gesellschaftskritisches Werk, in dem selbst die zivilisiertesten Menschen ihre Fassade fallen lassen und sich wie Kinder Beleidigungen und Vorwürfe an den Kopf werfen, das vor allem dank seiner Schauspieler zu überzeugen weiß. Auch wenn man sich zuweilen ein Ende des Debakels wünscht, schaffen es Regisseur und Schauspieler im Ganzen ein Kammerspiel zu inszenieren, dass dem Zuschauer über die gesamte Laufzeit etwas zu bieten hat.

Trifft einen der skurrile und zynische Humor des Filmes nicht wirklich kann es jedoch schwer werden dabei zu bleiben; die unangenehme Atmosphäre, der ein oder andere nervige Charakter so wie die Sinnlosigkeit der ganzen Situation können schnell dazu führen, dass weniger interessierte Zuschauer das Interesse komplett verlieren.

verfasst im Sommersemester 2018