City of God…: eine Rezension von Elena Hölzer

Was haben ein Suppenhuhn und Kinder, die in Drogenkonsum, Gewalt und Armut hineingeboren werden, gemeinsam?

In City of God steht das vor den hungrigen Menschen weglaufende Huhn für die Hoffnung, einer hoffnungslosen Situation zu entkommen. Wird es dem Huhn gelingen, den Fängen der Favela zu entwischen?

City of God handelt von dem Leben und Aufwachsen in den Ghettos von Rio de Janeiro. Der Film verfolgt das Leben einiger Kinder von den 60er bis in die 80er Jahre. Schnell steigen sie die

„Karriereleiter“ vom Unterstützer kleinerer Überfälle bis hin zum mächtigen Drogenboss hinauf. Es geht um Freundschaft, Bandenkriege, Rache. Aber auch um Hoffnung.

Dieser Film ist einer, der unter die Haut geht. Durch die Augen von Protagonist Buscapé taucht man in die leidenschaftliche, jedoch grausame Welt der Armensiedlungen ein. Schnell lernt man die Hauptcharaktere kennen, alles Jungs des Viertels in Rio. Und hier lebt es sich eher nach dem Motto: Fressen oder gefressen werden. Schon die Kleinsten greifen zu Waffen, um sich Respekt und Scheine zu verdienen. Gewalt scheint die einzige Konfliktbewältigung zu sein. Auch der Tod ist dort an der Tagesordnung, denn Kinder gehen wie selbstverständlich an den Leichen vorbei und beeilen sich zur Schule. Doch durch City of God lernt man zu verstehen, dass dieses Leben ein einziger Teufelskreis ist. Durch die mangelnde Unterstützung seitens der Regierung bedingt die Armut und schlechte Bildung ein Leben bestimmt von Überfällen und Drogenhandel.

Einige Male gibt es hoffnungsvolle, junge Menschen, die versuchen dem Elend zu entfliehen. Doch allen misslingt der Versuch und sie enden meist mit einer Kugel im Kopf. Der einzige Hoffnungsträger scheint Buscapé zu sein, der eine Karriere als Fotograf anstrebt.

Und auch Korruption seitens der Polizei spielt inmitten der Bandenkriege und den Drogengeschäften eine wichtige Rolle. Einige Szenen zeigen Polizisten, die sich für Geld nicht in die Konflikte einmischen und die Augen verschließen.

Die Kritik an den sozialen Missständen wird durch die kontinuierliche Verfolgung der jungen Männer über 20 Jahre besonders bewusst. Wenn sich nichts an den gesellschaftlichen Umständen ändert, kann sich auch das Leben in den Ghettos nicht ändern.

Besonders ergreifend wirkt City of God vor dem Hintergrund, dass er auf wahren Begebenheiten passiert. So hat jeder erschossene Mann und jede vergewaltigte Frau viel mehr Bedeutung, als nur die Gewalt als Motiv im Film zu verdeutlichen.

Doch nicht nur dieses Wissen lässt den Film realistisch darstellen. Die meisten der Darsteller sind junge Menschen, die selbst aus diesen Favelas stammen. In einem sechsmonatigen Theater- Workshop wurden sie an ihre Rollen herangeführt. Und diese Authentizität spürt man auch. Vor allem die Figur ,,Locke der Boss‘‘ überzeugt durch seine stechenden Blicke und die Kinderdarsteller spielen mit einer Art Abgeklärtheit, die man nicht einstudieren kann.

Die Rolle der Frau hat in diesem Film eine zwiegespaltene Rolle. Auf der einen Seite sind sie nur ein Accessoire. Denn keiner der Hauptdarsteller in weiblich. Sie erscheinen eigentlich nur im Zusammenhang einer Liebesbeziehung. Aber auf der anderen Seite sind sie es, die den Protagonisten und damit auch dem Zuschauer Hoffnung machen. Die Frauen sind es, welche die Männer zu einem Neustart an einem anderen Ort und zu einem besseren Leben inspirieren, auch wenn diese fehlschlagen. Durch sie erfährt man, dass Gemeinschaft und Geborgenheit ein Grundbedürfnis sind, dass in diesen Vierteln nicht selbstverständlich ist. Zudem zeigen die kurzen Einblicke in das Leben der Frauen dort, dass sie unheimlich stark und selbstbewusst sind, aber auch viel einstecken müssen. Trotzdem ist der Film in keiner Weise feministisch geprägt, sondern ein Gangsterdrama.

Ein negativer Kritikpunkt ist der ausschweifende Inhalt von City of God. In die ohnehin schon langen 128 Minuten Spielzeit wird eine enorme Fülle an verschiedenen Geschichten gepackt. Wenn einen Themen wie Krieg zwischen Drogenbanden nicht sehr interessieren, kann der Film langatmig erscheinen.

City of God möchte seinen Zuschauern ein Gefühl für die Zustände in den Ghettos von Rio vermitteln. Und mit reichlich Action, aber auch herzzerreißenden Szenen und mit der Andeutung der alltäglichen Gewalt gelingt es ihm sehr gut. Eine Empfehlung für einen intensiv erlebten Filmeabend – der wohl auch den ein oder anderen zum Nachdenken anregen wird.

Und das Huhn? Das hat überlebt.

verfasst im Sommersemester 2018